In der Fitnessbranche gibt es ein unbestrittenes Gesetz, worin sich alle einig sind: „Um Muskeln aufzubauen müssen mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden." Klar ist, dass für einen guten Muskelaufbau ein Kalorienüberschuss benötigt wird. Unklar ist nur: “Wie viel?”
Hyperkalorische Versorgung, eine Voraussetzung für den Muskelaufbau. Doch warum?
Im Kaloriendefizit baut man Körperfett besser ab, im Kalorienüberschuss baut man Muskeln besser auf! Um unseren Körper dazu zu bewegen Energie (sprich Fettsäuren) aus den Adipozyten auszuschleusen, müssen wir ihn in eine Situation bringen, in welcher er dies als notwendig ansieht. Nichts eignet sich hierfür besser als eine Ernährung unter dem eigentliche Bedarf. Denn genau hierfür hat uns die Evolution geschaffen. Wir speichern eine Menge Energien in unseren Fettzellen, um sie dann bei Bedarf wieder frei zu geben.
Beim Muskelaufbau ist es etwas anders. Hier steht uns die ebenfalls evolutionär vorgegebene Priorisierung des Körpers im Umgang mit Nahrungsenergie im Weg. Wenn wir als Bodybuilder es uns aussuchen könnten, dann würden wir die Nährstoffe ohne Umwege sofort in die Muskelzellen leiten, damit der Muskel wächst. Leider sieht unser Körper die Zielsetzung Muskelaufbau als weit weniger wichtig an als wir. In Wahrheit genießt Muskelaufbau eine sehr niedrige Priorität, die nur dann signifikant zum Zuge kommt wenn wir 2 Dinge erfüllen:
- die notwendige Belastung muskulärer Strukturen
- eine ausreichende Versorgung mit Energie
Nur wenn hypertrophiespezifische Signale in unserem Gehirn ankommen und andere Gewebe, Hormone und Organe unserer Schaltzentrale signalisieren, dass die Bedarfssituation es rechtfertigt Muskelmasse zusätzlich aufzubauen, werden auch tatsächlich die nötigen Prozesse eingeleitet (z. B. die Erhöhung der Stickstoffbilanz im Muskel). Ist dies nicht der Fall, sieht der Körper es auch nicht als überlebensnotwendig an und eine andere Priorität rückt an auf den ersten Platz: die Versorgung des Gehirns und der Organe sowie der Erhalt der Körpertemperatur.
Unser Körper gibt grünes Licht für Muskelaufbau, wenn er die Versorgungssituation als gesichert ansieht. Überleben steht in diesem Falle vor einem Armumfang mit 50cm. Kalorienüberschuss ist die Grundvoraussetzung für Anabolismus.
So bestimmst du deinen Kalorienbedarf richtig
Unsere eben gemachte Feststellung ruft natürlich neue Fragen auf den Plan. Die Wichtigste in diesem Zusammenhang befasst sich mit der richtigen Bestimmung des momentanen Ist-Kalorienbedarfs. Nur wenn wir ihn kennen, lässt sich ein Ernährungsplan vernünftig für Muskelaufbau in Richtung „hyperkalorisch“ planen.
Pauschale Formeln zur Ermittlung des Kalorienbedarfs am Beispiel PAL
PAL ist die Abkürzung für „Physical Activity Level“. Über die Ermittlung des PAL erhält man eine Art Index, mit dem die individuelle Grundumsatzermittlung multipliziert wird. So errechnet sich dann der Gesamtenergiebedarf pro Zeiteinheit. Der Gesamtenergiebedarf setzt sich aus dem Grundumsatz und dem Arbeits- (Leistungs-) Umsatz zusammen und stellt somit die Energiemenge dar, die wir zur Deckung unseres gesamten Bedarfs benötigen. Der Grundumsatz stellt die Menge an Energie zum Erhalt der grundlegenden Körperfunktionen und Körpertemperatur dar, während der Arbeitsumsatz sich auf die Anforderungen des Alltags bezieht.
Berechnung des Grundumsatzes
Grundlage für die Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs nach PAL ist die Bestimmung des Grundumsatzes. Hier hält die Wissenschaft mehrere Ansätze bereit, die mehr oder weniger individuelle Ergebnisse liefern. Beispielhaft zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Modelle von Harris und Benedict, der Broca-Index oder der Mifflin-St.Jeor-Formel. All diese Möglichkeiten bezeichnet man als sog. Annäherungsformeln. Dies bedeutet allerdings, dass es sich in vielen Fällen nicht um exakte Werte handelt.
Berechnung mit PAL
Der PAL-Faktor oder PAL-Index wird nun über Faktor-Tabellen ermittelt. Jede körperliche Tätigkeit wurde dazu mit einem bestimmten Aktivitätsfaktor versehen. Aufgabe der jeweiligen Person ist es nun, die 24 Stunden des Tages entsprechend der unten stehenden Aufzählung zu faktorisieren, die Faktoren dann auf zu summieren und durch die Anzahl der Stunden (also 24) zu dividieren.
Faktor & Aktivität
- 1.2 - nur sitzend oder liegend oder gebrechliche Menschen
- 1.4-1.5 - sitzend, kaum körperliche Aktivität, Büroarbeit am Schreibtisch
- 1.6-1.7 - sitzend, gehend und stehend, Studenten, Schüler, Taxifahrer
- 1.8-1.9 - hauptsächlich stehend und gehend, Verkäufer, Kellner, Handwerker
- 2.0-2.4 - körperlich anstrengende Arbeit, Landwirte, Hochleistungssportler
Der so ermittelte Wert ist der sog. PAL-Index, der nun mit dem Grundumsatz multipliziert dann den Gesamtenergiebedarf nach PAL in kcal ergibt.
Der Knackpunkt...
Wie oben bereits angesprochen, haben wir es hier in der Gesamtheit nur mit Annäherungswerten zu tun. Das Problem, vor allem mit Sportlern besteht darin, dass wir uns zu sehr von der Norm des Otto-Normalverbrauchers abheben. Genau für diese sind derartige Formeln und Index-Bestimmungen konzipiert. Je weiter man sich vom „Standard-Bürger“ entfernt, umso weniger kann man mit aussagefähigen Ergebnissen rechnen. Au diesem Grund solltest du dies nur als Richtwert sehen und schauen wie sich dein Körper entwickelt. Demnach kannst du dann Anpassungen nach oben oder unten vornehmen.
Den Kalorienüberschuss pauschal festelegen
Allgemeingültig ist eine kalorische Zugabe von 300-500kcal über dem eigenen Bedarf für den Muskelaufbau. Das wird wahrscheinlich schon jeder von euch gehört haben. Pauschal wird hier aber nicht unterschieden ob männlich oder weiblich, wie schwer eine Person ist, wie schaut die Körperzusammensetzung aus, usw... Wie sinnfrei eine solche Aussage ist zeigt folgendes Beispiel:
- Person 1 weiblich IST-Bedarf 1600kcal + 500kcal = 2100kcal = Steigerung um 31,25%
- Person 2 männlich IST-Bedarf 3500kcal + 500kcal = 4000kcal = Steigerung um 14,29%
- Person 3 männlich IST-Bedarf 5000kcal + 500kcal = 5500kcal = Steigerung um 10%
500kcal sind für jeden etwas anderes. Im Beispiel unserer weiblichen Athletin werden mit 500 zusätzlichen Kalorien 31% des Gesamtbedarfs mehr aufgenommen. Gibt man bei unserem „Schwergewicht“ mit 5000 Ist-Kalorien 500 kcal als kalorische Zugabe dazu sind das gerade mal 10%. Du merkst also, die Abweichungen sind viel zu groß und zu pauschal, als dass man diesem Ansatz Glauben schenken sollte.
Kommen wir nun zur richtigen Taktik
Auch in Sachen kalorische Zugabe sollte man der Individualität der Person gerecht werden. Über dieses Thema habe ich mir viele Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass der wohl wichtigste individuelle Wert, den man hierzu berücksichtigen muss in diesem Falle der aktuelle Gesamtkalorienbedarf ist. Diesen haben wir weiter oben ja bereits ermittelt. Ausgehend davon kann nun für die kalorische Zugabe eine Menge von 10-20% des Ist-Bedarfs angesetzt werden.
Da Frauen generell dafür bekannt sind, Arbeit mit weniger Energieaufwand zu bewältigen als Männer, werden Sie sich eher an 10-15% halten, während für Männer eher 15-20% vorgeschlagen werden. Unser kleines Rechenbeispiel vom obigen Abschnitt verdeutlicht die Zusammenhänge
- Person 1 weiblich IST-Bedarf 1600kcal + 12,5% = 1800kcal
- Person 2 männlich IST-Bedarf 3500kcal + 17,5% = 4112,5kcal
- Person 3 männlich IST-Bedarf 5000kcal + 17,5% = 5875kcal
Im Ergebnis erhalten wir mit dieser Vorgabe angelegt an den IST-Bedarf und unter Berücksichtigung des Geschlechts ein deutlich individuelleres und auch passenderes Ergebnis.
Der Weisheit “Alle Wege führen nach Rom” sollte man im Themenschwerpunkt Kalorienüberschuss keinen Glauben schenken. In diesem Artikel hast du viele verschiedene Möglichkeiten kennengelernt, doch es wurde deutlich, dass die pauschalen Ansätze keine guten Ergebnisse hervorbringen können. Denn die Folgen davon können bei zu wenig Kalorien ein gehemmter Muskelaufbau und bei zu vielen Kalorien Fett an Hüften, Schenkeln oder Gesäß bedeuten.
Ich hoffe, ich konnte dir mit dem Artikel weiterhelfen. Wenn du nicht weiterkommst oder Hilfe brauchst, kannst du mich gerne anschreiben. Ich helfe dir weiter, damit du deine Ziele erreichst!
Viele Grüße,
dein Christian
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